Westsachsen/Limbach-Oberfrohna/Zwickau.- Er hat es schon wieder getan. Altfrid Luthe (Foto), Richter und Pressesprecher am Landgericht Zwickau, gab kurz nach der Urteilsverkündung im Fall Hardy G. am Mittwoch Nachmittag eine völlig falsche Pressemitteilung heraus. Die Freie Presse veröffentlichte unmittelbar darauf einen Artikel nach diesen Vorgaben. Brisant: Nicht ein einziger Reporter des Lokalblattes hat sich während des gesamten Revisionsprozesses im Gerichtssaal blicken lassen (wir berichteten schon einmal).
Die WSZ hatte über weite Teile des Prozesses, der insgesamt 19 Verhandlungstage andauerte, mehre Journalisten im Einsatz, die sich vor Ort ein ausführliches Bild gemacht haben. Dabei sind erstaunliche Unterschiede zwischen den Ausführungen der Pressestelle des Gerichts, von der übrigens auch nie ein Vertreter an den Verhandlungen teilnahm, und der tatsächlichen Ereignisse festzustellen.
Wer die Website der „Freien“ Presse durchstöbert, wird feststellen, dass viele Artikel mit einem + Zeichen versehen sind. Dazu erklärt der Verlag: „Das kleine Plus kennzeichnet die Beiträge auf der Webseite, die unseren Digitalabonnenten vorbehalten sind. Es sind in der Regel die aufwändigsten Recherchen unserer Journalisten vor Ort, die Texte, die den Charakter der Freien Presse prägen. Regional. Glaubwürdig. Weitsichtig.“ Wie glaubwürdig ist diese Behauptung noch, wenn man ungefiltert Pressemitteilungen abdruckt und diese dann als eigene „PLUS-Artikel“ verkauft?
Zurück zum eigentlichen Prozess. Ursprünglich wollte Hardy G., der seit über zwei Jahren wegen Nachstellung und Hausfriedensbruch in Untersuchungshaft sitzt, seine sofortige Freilassung erreichen. Zumindest ein deutlich milderes Urteil als die zuvor ausgesprochenen 3,5 Jahre Gefängnis. Er bleibt bei seiner Begründung, dass die Staatsanwaltschaft nur einseitig gegen ihn ermittelt und nicht auch gegen die Familie Käferstein, von der er sich bedroht fühlt (WSZ berichtete). Er sei damals nicht vor der Polizei geflohen, sondern vor dem gewalttätigen Bruder seiner damaligen Freundin, der ihn mehrmals mit dem Tode bedroht habe. Auch habe er niemals das Gewehr dabei gehabt, wie von der Gegenseite ständig behauptet. Bis heute ist der Verbleib dieser Langwaffe nicht geklärt (WSZ berichtete). Trotzdem sieht es das Gericht als erwiesen an, dass Hardy G. das aus dem Waffenschrank des Vaters entwendete Gewehr irgendwo versteckt haben muss. Das bedeutet im Klartext, dass der vorsitzende Richter Ruppert Geußer lediglich daran glaubt, dass es so sein könnte. Beweise dafür gibt es nicht. Allerdings auch keine Gegenbeweise, denn die zuständigen Ermittlungsbehörden sind erstaunlich untätig. In jeder Verhandlung, die seit Beginn des Revisionsprozesses stattgefunden hat, saßen den ganzen Tag über sechs Polizeibeamte mit im Saal und lauschten den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, des Richters und der Zeugen. Zunächst ohne erkennbaren Grund. Einige Prozessbeobachter dachten laut darüber nach, ob diese Personalressourcen nicht effektiver zur Wahrheitsfindung hätten eingesetzt werden können. Zumal die Waffe noch immer nicht gefunden wurde. „Was passiert eigentlich, wenn Hardy die Waffe wirklich nicht hat, sondern ein anderer? Dieser könnte jetzt damit unterwegs sein und Jagd auf Menschen machen. Wer schützt uns vor diesem Szenario?“, fragte eine besorgte Zuschauerin nach der Urteilsverkündung. Denn weitere Ermittlungen finden offensichtlich nicht mehr statt.
Nach Verbüßen der nun endgültig auf drei Jahre festgesetzten Haftstrafe hat Richter Geußer für den bisher unbescholtenen, nicht vorbestraften Hardy G. Sicherungsaufsicht angeordnet. Das heißt, der Mann soll rund um die Uhr von jeweils zwei Beamten im Schichtdienst überwacht werden. Jetzt wird auch klar, warum die sechs Polizisten immer mit im Gerichtssaal saßen. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Pressemitteilung des Gerichts so zeitnah an die Medien raus ging, lässt außerdem vermuten, dass das gefällte Urteil bereits lange vor Verhandlungsende feststand. Die letzte Zeugenaussage einer Lehrerin und die Plädoyers der Anwälte sowie das letzte Wort des Angeklagten hätte man sich also getrost sparen können.
Letzteres hatte es allerdings in sich. Hardy G. warf dem Gericht vor, ihm gegenüber voreingenommen zu sein. „Sie und ich stehen in einem Täter - Opfer - Verhältnis. Wobei ich das Opfer bin“, hatte er bereits bei Prozessbeginn zu Richter Geußer gesagt. Jetzt ging er noch einen Schritt weiter: „Ich muss mich hier von Juristen verurteilen lassen, die nicht bestreiten, einer kriminellen Vereinigung anzugehören“, sagte er in Richtung Richterpult und nahm damit Bezug auf die illegale Überklebung eines gültigen Rechtskraftvermerkes und weiterer ungeklärter Offizialdelikte, vor allem der Zwickauer Staatsanwaltschaft (WSZ berichtete). Sein Verteidiger kündigte an, sofort wiederum Revision zu beantragen. Eine Fortsetzung ist also nicht ausgeschlossen.