19 November 2020

Internierung im Heim: Tochter schreibt Protestbrief ans Gesundheitsamt

Westsachsen/Zwickau/Schönfels.- Die Corona-Maßnahmen und ihre Folgen. Praktisch täglich treiben die Regierenden eine neue Sau durchs Dorf. Heute geht es mal wieder um die Einschränkungen im Pflegeheim. Wegen der Corona-Verordnung ist es den Angehörigen untersagt, in die Nähe ihrer Liebsten zu kommen. Vereinsamung und das Gefühl, unter Haftbedingungen schlimmer als in der JVA zu leben, lassen jeden Lebensmut schwinden.
Die Tochter einer Betroffenen hat jetzt einen offenen Brief an das Gesundheitsamt geschrieben. Am Sonntag gab sie mit einem Freund ein kleines Konzert für die Inhaftierte vor dem Pflegeheim. Hier der Wortlaut des Briefes: „Sehr geehrte Damen und Herren, meine 89 jährige Mutter lebt seit wenigen Jahren in einem Seniorenheim am Rand Zwickaus.
Das Heim wird gut geführt und wir sind eigentlich sehr zufrieden, dass meine Mutter gerade hier ist.
Jedoch: Nach insgesamt mehr als 6 Monaten verordneter Isolation hinter geschlossener Haustür muss sie nun seit dem 31. Oktober sogar hinter ihrer Zimmertür bleiben, weil es im Heim – nicht in ihrer Etage – Coronafälle oder einen Fall gab. Genaue Auskunft erhielt ich darüber nicht.
Was tun Sie den alten Menschen nur an? Nur von morgens bis abends die Wände anschauen über so viele Wochen schon, wir dürfen nicht zusammenkommen und sie hat keine Abwechslung, Anregung oder Freude. Sie darf nicht einmal den Gang betreten und ins Freie darf sie auch nicht. Wenn sie das Zimmer verlassen möchte, wird sie zurückgeschickt. Ihre Lieben dürfen sie nicht besuchen.
Das ist kein Leben für einen Menschen! Die Heimbewohner haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Meine Mutter ist nicht positiv getestet worden, wie meines Wissens fast alle Bewohner des Heimes auch. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, warum sie alle schon wieder eingesperrt werden. Sollte es nicht genügen, Infizierte zu isolieren und den Gesunden möglichst viel Lebensqualität zu geben? Das würde auch ihre Abwehrkräfte stärken. Die alten Menschen haben nicht mehr viel Zeit! Und sie haben eine solche Behandlung auch nicht verdient nach einem arbeitsreichen Leben.
1. Sie sollte sich zu einer bestimmten Zeit doch frei im Haus und mit Begleitung, die auf sie aufpaßt, im Gelände bewegen dürfen. Mit welcher Begründung hält man sie für infektiös?
2. Auch sehe ich keinen Grund, warum sie nicht - kontaktfrei natürlich - uns zuhause besuchen kann und im Auto mit mir fahren darf. Sie ist ja nicht infiziert und keine Gefahr.
3. Wie lange wollen Sie das Besuchsverbot aufrechterhalten? Bis der Virus verschwunden ist? Oder bis alle Bewohner gestorben sind? Niemand will in so einem Haus wohnen.
Den Virus werden wir in unserer Gesellschaft weiter haben. Wollen Sie ständig und immer wieder alte Menschen wegsperren, sobald eine Infektion auftritt? Fragen Sie sie, sie würden lieber sterben!“
Inzwischen ist die Isolation etwas gelockert worden. Man darf für eine halbe Stunde nachmittags in das Heim zu solchen Bewohnern, die nachweislich nicht infiziert sind. Mutter und Tochter haben jedoch begründete Angst vor zu erwartenden neuen Verschärfungen, die die wenigen Besuchsmöglichkeiten wieder beenden könnten. Beide wünschen sich sehr, dass sie zusammenkommen dürfen und keine Angst mehr vor Isolation, Trennung und Vereinsamung haben müssen. Die Beschneidung der Freiheit von alten Menschen nimmt ihnen jede Lebensqualität, sie macht Angst und bringt ein Gefühl der Hilflosigkeit, Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Wer möchte so leben? Den Angehörigen ist auch klar, dass das Pflegeheim seine Bewohner und sein Personal vor Krankheit schützen möchte. Aber Kinder von ihren alten Eltern fernzuhalten ist nicht der richtige Weg.
Zu dem kleinen Konzert, dass Christiane Dreißig gemeinsam mit ihrem Freund Werner Franke vor dem Fenster ihrer Mutter gab, haben sich spontan einige Spaziergänger hinzu gesellt. Die Maßnahmen des Pflegeheimes gegen die eigenen Bewohner stießen auf allgemeines Unverständnis.

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