Westsachsen/Zwickau.- Gestern startete in Zwickau ein Großprojekt, an das viele schon nicht mehr geglaubt haben: Die Revitalisierung des ehemaligen Schocken-Kaufhauses in der Hauptstraße. Das Gebäudeensemble, dessen Wurzeln über 120 Jahre zurückreichen und dessen Nutzung als Kaufhaus 1999 endete, wird in den kommenden rund 2,5 Jahren komplett umgestaltet und saniert. Etabliert werden hier Flächen für Einzelhandel, Büroräume und ein Hotel. Investor ist die GP Papenburg Hochbau GmbH, Halle. Gefördert wird das 33 Mio. Euro-Vorhaben durch den Bund und das Land.
Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Foto rechts) freut sich über den Projektstart: „Mit der Revitalisierung des ehemaligen Schocken-Kaufhauses wird ein wichtiges Stück Stadtgeschichte erhalten. Zugleich ist es ein wichtiger Schritt für die weitere Belebung unserer Innenstadt.“ Klaus Papenburg, Vorstand der GP Günter Papenburg AG (Foto links), ergänzt: „Die Stadt Zwickau erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Nach der Sanierung des Schlosses Osterstein können wir nun mit der Revitalisierung des Schocken-Kaufhauses ein weiteres historisches Bauwerk der Stadt Zwickau erneuern und somit einen bedeutenden Beitrag zur städtebaulichen Gesamtentwicklung Zwickaus leisten.“
1. Historie
Das ehemalige Kaufhaus Schocken ist weit über die Stadtgrenzen Zwickaus hinaus nicht nur Architekturhistorikern ein Begriff und als Kulturdenkmal in das Denkmalverzeichnis des Freistaates Sachsen / Stadt Zwickau eingetragen. Seine Geschichte beginnt am 18. März 1901 mit der Eröffnung des Warenhauses „Ury Gebrüder Zwickau/Leipzig“ auf dem Grundstück der heutigen Hauptstraße Nr. 9. Der Geschäftsführer war Simon Schocken, der in die Eigentümerfamilie des Leipziger Kaufhauses Ury eingeheiratet hatte. 1906 ging das Haus in seinen Besitz über. Simon Schocken gründete 1907 zusammen mit seinem Bruder Salman Schocken, der das Kaufhaus in Oelsnitz besaß, die Firma „I. Schocken Söhne Zwickau“, die beide Kaufhäuser umfasste. Weiterhin kam es zur Gründung einer Einkaufszentrale in Zwickau, die für die Belieferung beider Kaufhäuser zuständig war. In den Jahren 1908 bis 1911 wurde das Kaufhaus durch den Anschluss der Gebäude Hauptstraße 7 und Marienplatz 8 erweitert. 1924 beantragte Simon Schocken die Herstellung einer neuen Sandsteinfassade, die die beiden unterschiedlichen gründerzeitlichen Klinkerfassaden der Häuser Hauptstraße 7 und 9 unter einer einheitlich gestalteten Warenhausfassade vereinigen sollte. Der Fassadenentwurf stammt vom Berliner Architekten Münchhausen.
Die im Stil der Reformbaukunst gestaltete Fassade beeindruckt noch heute. Von dem glatten Sockelgeschoss setzt sich das 1. und 2. Obergeschoss durch Lisenen ab. Gesimse gliedern die Fassade in der Horizontalen. Viele lange Fensterzüge und große Schaufenster sind in ihrer beinahe militärisch erscheinenden Reihung Hauptschmuckelemente. Die Dachlandschaft ist von Dreiecksgiebeln akzentuiert oder die dreieckigen Fensteröffnungen der Erdgeschosszone wiederholen sich als dreieckige Dachfenster. Tatsächlich dürfte es sich um eine ziemlich aufwändige Umbaumaßnahme gehandelt haben, da sie erst 1928/29 endgültig beendet wurde.
Das Innere des Hauses zeichnete sich fortan durch Modernität und Kundenfreundlichkeit aus, nicht zuletzt, um durch Übersichtlichkeit und Ordnung einen möglichst hohen Verkaufserfolg zu erzielen. 1926 wurde das Warenhaus ´Ury Gebrüder` offiziell in Kaufhaus `Schocken´, Zwickau umbenannt. Auf dem Erfolg basierend bauten die Gebrüder Schocken innerhalb kurzer Zeit einen Konzern auf, der mit Zweigniederlassungen in fast 20 deutschen Städten zu einem der führenden Warenhausunternehmen Deutschlands - mit der Zentrale in Zwickau - wurde.
Die antisemitische Politik der Nationalsozialisten zwang die Familie 1938 zur Konzernaufgabe und zum Verkauf. Zu DDR-Zeiten war hier ein Konsument-Warenhaus ansässig, bevor es nach der deutschen Wiedervereinigung privatisiert wurde. 1999 endete die Nutzung als Kaufhaus. Seither stand das Gebäudeensemble weitestgehend leer und der bauliche Zustand verschlechterte sich.
2. Meilensteine hin zu einer Neubelebung
Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung und wegen der essentiellen Lage im Zwickauer Stadtzentrum bemühte sich die Zwickauer „Stadtspitze“ jahrzehntelang, eine nachhaltige Lösung für das Immobilienensemble zu finden. Wichtig war beispielsweise die Reise einer Delegation, die unter anderem die damalige Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß und Alt-Oberbürgermeister Rainer Eichhorn im November 2016 nach Israel führte. Mit Unterstützung des Rechtsanwaltes Dirk Lange der Leipziger Kanzlei Gruendelpartner, welche die Schocken AG i. L. in Deutschland vertritt, konnten hier tragfähige Kontakte auf- und ausgebaut werden.
Ein wichtiger Meilenstein war die Entscheidung der GP Papenburg Hochbau GmbH, sich des Projektes anzunehmen. Das Unternehmen hatte bereits zuvor wichtige Großvorhaben in der Automobil- und Robert-Schumann-Stadt erfolgreich realisiert. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer versprach zum Festakt der 900-Jahr-Feier, dass er sich persönlich für die Wiederbelebung des ehemaligen Kaufhauses Schocken einsetzen wolle.
Maßgeblich waren und sind die Fördermittel: Im Vorfeld des Vorhabens erfolgten insbesondere Maßnahmen zur Substanzsicherung sowie historische, baugrund- und bauteilspezifische Untersuchungen, in Verbindung mit entsprechenden Dokumentationen. Diese wurden im Rahmen des Denkmalschutz-Sonderprogramms VII durch den Bund, den Freistaat Sachsen und die Stadt Zwickau mit bisher 500.000 Euro gefördert.
Die nun beginnende Revitalisierung wird im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus – Programmaufruf 2018 / 2019“ durch den Bund in Höhe von 4.000.000 Euro und die Stadt Zwickau in Höhe von 2.000.000 Euro gefördert.
3. Revitalisierung – Nutzung/Nutzungsarten
Den bereits begonnenen bauvorbereitenden Maßnahmen sowie den sich daran anschließenden Hauptbauarbeiten gingen in den vergangenen vier Jahren tiefgründige Bestandsuntersuchungen und Machbarkeitsstudien voraus.
Im Rahmen des Denkmalschutz-Sonderprogramms erfolgten durch die GP Papenburg Hochbau GmbH in den Jahren 2019-2021 umfangreiche Recherchen zur Historie des Gebäudes. In diesem Zusammenhang wurden rund 1.900 Fotos erstellt und ein Bestandsaufmaß aller Gebäudeteile und -räume gefertigt. Diese Unterlagen bildeten die Grundlage für die Erarbeitung der denkmalpflegerischen Zielsetzung gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Sachsen.
Im Jahr 2020 erfolgten mehrere Sitzungen des Gestaltungsbeirates. Dieser war besetzt durch Vertreter der Denkmalpflege, der Stadtentwicklung, Mitgliedern der Architektenkammer Zwickau, Architekten aus Dresden und Leipzig sowie des mit der Planung beauftragten Architekturbüros Bauconzept - Planungsgesellschaft mbH und der GP Papenburg Hochbau GmbH als Bauherr. Es wurden insbesondere die Gestaltung und Wirkung der historischen und neuen Fassaden gemeinsam abgestimmt. Restauratorische Untersuchungen zur historischen Architektur und Raumfarbigkeit, die Erstellung verschiedenster Gutachten zum Baugrund, Holzschutz, statischer Beschaffenheit und Bewertung verwendeter Baustoffe und Materialien waren notwendig, um die künftigen Baumaßnahmen zu planen. Während dieses Zeitraumes erfolgten parallel Sicherungsmaßnahmen insbesondere in den Dachbereichen des Objektes, um weitere Schädigungen durch Wassereintritte zu vermeiden. Zugleich erfolgte die Fortschreibung der Planungsunterlagen in enger Abstimmung mit den Ämtern der Stadt Zwickau und dem Fördermittelgeber.
Mit den aktuellen Planungen zur Neustrukturierung und Wiederbelebung des historischen Gebäudeensembles sind umfangreiche Eingriffe in das Bestandsobjekt unerlässlich.
Die zu erhaltenden Gebäudeteile des historischen Baukörpers werden im Rahmen der Revitalisierung umfassend saniert. Die Arbeiten während der weiteren Projektumsetzung erfolgen dabei stets in enger Abstimmung mit der Unteren und Oberen Denkmalschutzbehörde.
Künftig werden neue Nutzungsarten das Schocken-Areal charakterisieren. So wird im Bereich Marienplatz 4-8, ab dem 1.OG ein B&B Hotel mit ca. 90 Gästezimmern und straßenseitigem Blick auf den Dom entstehen. Im Erdgeschossbereich werden mit einem REWE-Markt Handelsflächen auf einer Handels(Miet)fläche von ca. 1.300 m2 integriert, die eine Stärkung der Nahversorgung im Zwickauer Stadtzentrum gewährleisten.
In den Obergeschossen der Hauptstraße 3 – 11 befinden sich später auf ca. 4.600 m2 Büroflächen für die Stadtverwaltung Zwickau sowie den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement. Geplant ist seitens der Stadt, dass das Büro für Wirtschaftsförderung und das Stadtplanungsamt hier einziehen.
Beide Verwaltungseinheiten sind derzeit in angemietenen Räumen ansässig, welche nicht barrierefrei sind.
Damit stehen im Gebäudekomplex nur noch wenige Restflächen zur Vermietung zur Verfügung. Dies betrifft Büroflächen mit ca. 700 m2 in den Ebenen des 2.-4. Obergeschosses im Gebäude Hauptstraße 11. Kleinere Handelsflächen mit ca. 200 m2 sind in diesem Objekt aktuell noch im Erdgeschossbereich verfügbar.
Auch im Erdgeschossbereich der historischen Gebäude der Hauptstraße 3-5 stehen noch Einzelhandelsflächen auf ca. 170 m2 zur Verfügung.
Die GP Papenburg Hochbau GmbH legte bei der Konzeption großen Wert darauf, langfristige und nachhaltige Nutzungen zu etablieren mit denen zu einer weiteren Belebung des Zwickauer Innenstadtbereiches beigetragen werden kann. Durch die Mischung von Handels-, Gewerbe- und Beherbergungsflächen wird in der Zukunft von einer erhöhten Frequenz an Gästen, Mitarbeitern und Passanten ausgegangen.
Die Umgestaltung des Kaufhauses auf einer Grundstücksfläche von 3.040 m², mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 11.700 m2 und einem Investitionsvolumen von rund 33 Mio. EUR erfolgt über einen Zeitraum von rund 2,5 Jahren, sodass von einer Fertigstellung des Projektes im IV. Quartal 2024 ausgegangen wird.
Dem Bezug der Mietflächen durch die künftigen Mieter geht ein komplexer Bauablauf voraus. Dabei werden zunächst die Arbeiten des Abbruches und Rückbaus die nötige Baufreiheit ermöglichen. Für die Transportarbeiten von Baustoffen und Baumaterialien werden im Gebäudekomplex zwei Hochbau-Turmdrehkrane aufgestellt. Nachfolgend werden die Rohbauarbeiten realisiert, d.h. neue Gebäudeteile werden mit Baustahl, Mauerwerk und Stahlbeton errichtet; bestehende Gebäude werden für die zukünftige Nutzung umgebaut. Ebenso werden bspw. historische Treppenhäuser denkmalgerecht instandgesetzt und nach historischen Unterlagen revitalisiert. Im Bereich der Hauptstraße 7-9 wird ein ehemals vorhandener Lichthof in das Gebäude integriert. Damit werden ein Tageslichteinfall sowie eine natürliche Be- und Entlüftung der Büroflächen ermöglicht. Die Dachflächen werden nach heutigen Maßstäben gedämmt und abgedichtet. Bestehende Fassaden werden unter Auflagen des Denkmalschutzes saniert, der Einbau von Fenstern und Verglasungen sowie die Ausbildung von Fassadenbekleidungen erfolgen nach der im Gestaltungsbeirat abgestimmten Planung. Mit dem Witterungsschutz werden die Installationsarbeiten der Haustechnik bspw. Elektroleitungen, Heizungen sowie Sanitärleitungen für WC-Anlagen vorbereitet. Diese Ausbauarbeiten erfolgen koordiniert mit Putz- und Trockenbauarbeiten. Diese werden durch die Wand- und Bodenbeläge bspw. Fliesen und Anstriche ergänzt.
Mit den Revitalisierungsmaßnahmen erfährt das Mariengässchen eine Verbreiterung im Bereich des Gebäudes der Hauptstraße 11 in der Form, dass beginnend von der Ecke an der Hauptstraße die Erdgeschoss-Fassade ca. 1,5 m von der jetzigen Gebäudekante „einrückt“ und zum Gebäudeende die Gebäudekante des Nachbargebäudes aufnimmt (siehe Grundriss-Auszug).
Durch die „Verbreiterung“ des Mariengässchens wird zukünftig ein größerer Bewegungsraum vorhanden sein, der für eine erhöhte Aufenthaltsqualität sorgt.
Der nachträglich am Sturtzkopf-Treppenhaus angebaute eingeschossige Vorbau wird entfernt und gibt den Blick auf das historische Treppenhaus frei. Dieses wird als Hauptzugang für die Büronutzer eine entsprechende Aufwertung erfahren.
Über die GP Günter Papenburg Unternehmensgruppe
Das 1963 als Einzelunternehmung gegründete Familienunternehmen besteht heute aus einem Kompetenznetzwerk von 58 Tochtergesellschaften und Betriebsteilen der GP Günter Papenburg AG. Bundesweit arbeiten rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sparten Gewinnung von Rohstoffen, Produktion von Baustoffen, Hoch-, Tief-, Straßen- und Gleisbau sowie Maschinen- und Anlagenbau, Logistik sowie Recycling und Verwertung.
Die GP Papenburg Hochbau GmbH als 100%-ige Tochtergesellschaft der GP Günter Papenburg AG hat ihren Hauptsitz in Halle (Saale). Sie ist mit ihren Niederlassungen SF-Bau und Rohbau am Standort Halle (Saale) sowie einer weiteren Niederlassung im Leipziger Zentrum vertreten. Mit ihren ca. 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Unternehmen im Bereich der Projektentwicklung sowie in den Geschäftsfeldern des konstruktiven und schlüsselfertigen Hochbaus, im Industrie-, Wohn- und Gewerbebau und im Bau von Sport- und Freizeitgebäuden tätig. Unter Nutzung der konzerneigenen Wertschöpfungskette realisiert die GP Papenburg Hochbau GmbH moderne und zukunftsfähige Projekte.