Seiten

14 November 2023

Zweifel am Verwaltungshandeln: Facharzt verklagt Freistaat Thüringen

Westsachsen/Ostthüringen/Gera.- Vor dem Verwaltungsgericht fand heute eine nicht alltägliche Verhandlung statt. Im Aktenzeichen 4 K 283/23 klagte der Saalfelder Arzt und Psychiater Dipl.Med. Wilfried Meißner (Foto) wegen Nichtigkeit der „Anordnung zur Begutachtung“ vom 11. Mai 2011 und wegen konsekutiver Nichtigkeit der Anordnung des Ruhens seiner Approbation zum 01. Juni 2011 gegen den Freistaat Thüringen.
Die hochgefahrenen Sicherheitsmaßnahmen und Einlasskontrollen im Gerichtgebäude ließen vermuten, dass die Zuschauer ein hoch brisanter und gefährlicher Prozess erwartet. Tatsächlich saß der Kläger allein gegenüber einer eher unscheinbar wirkenden weiblichen Person (Annemarie Weishaar), die den Freistaat Thüringen über die gesamte Verhandlungsdauer schweigend vertrat. Das von Bengt Fuchs geleitete Richtergremium, bestehend aus vier mehr oder weniger alten weißen Männern und einer weiblichen Schreibkraft, hätte die Klage am liebsten sofort abgewiesen. Doch es kam anders.
Der Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie verwies auf ein Schreiben vom 11.Mai 2011, das vom Thüringer Landesverwaltungsamt an den Erfurter Rechtsanwalt Paschinsky adressiert war. Demnach sollte dieser seinen Mandanten dazu bewegen, sich von dem Chefarzt und „Sozialpsychiater“ Richard Serfling vom Klinikum Weimar begutachten zu lassen. Konkrete Tatsachen, warum er das sollte, wurden aber in dem Schreiben nicht genannt. Beigefügt war eine vorgefertigte Einverständniserklärung, wonach Meißner unterschreiben sollte, dass ihm die Gründe für die Eignungszweifel der Behörde bekannt seien und er die Erstellung des Gutachtens auf eigene Rechnung in seinem Namen wünsche. Damit erklärte sich Meißner mit Fax vom 23. Mai 2011 nicht einverstanden. Ihm seien Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns gekommen. Bis zum Beweis des Gegenteils weise dieses Vorgehen eindeutig Zeichen grundgesetzfremder Willkür auf, ist Meißner überzeugt.
Es folgten Telefonate hinter seinem Rücken mit dem Saalfelder Chefarzt Sobanski und dem Amtsarzt, die ihn beide nicht kannten, sowie der Spitze der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. Am 1. Juni 2011 wurde das Ruhen der Approbation des Facharztes angeordnet. In der Verhandlung heute erklärte der Saalfelder: „Weder kannte ich damals die Gründe der angeblichen Zweifel, die von den Leuten der Approbationsbehörde gehegt werden, noch war ich bereit, so zu tun, als würde ich diese kennen. Denn Gründe waren eben nicht dargelegt worden. Dieses Schreiben erfüllt nach meiner Überzeugung den Tatbestand einer rechtsstaatswidrigen - im strafrechtlichen Sinne nötigenden - Aufforderung. Weder kenne ich die Zweifel, die von den Leuten der Approbationsbehörde gehegt werden, noch bin ich bereit, ein von dort gefordertes Gutachten zu bezahlen. Dieses Schreiben erfüllt den Tatbestand einer rechtsstaatswidrigen - im strafrechtlichen Sinne nötigenden - Aufforderung.“
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Richtergremiums laut. So distanzierten sich weder die Vertreterin des Freistaates Thüringen, noch der vorsitzende Richter, von der Psychosekte Scientology und deren Arbeitsweise. Es wäre also zu vermuten, dass letzterer selbst Partei ist oder er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten / Mitverpflichteten steht und deshalb nach § 41, Abs. 1 ZPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ohnehin ausgeschlossen sei. Richter Bengt Fuchs gab am Ende noch zu Protokoll, dass sich Meißner strafrechtliche Schritte vorbehalte. Dieser hatte das so gar nicht angekündigt, sondern in seinem Fax vom Morgen des heutigen Tages geschrieben: „Der Kläger beantragt vor diesem Hintergrund die vorgreifliche gerichtliche Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale einer Nötigung in besonders schwerem Fall seit dem 11. Mai 2011 und der politischen Verdächtigung § 241 a StGB, weil eine auf Straftaten beruhende „Anordnung“ zu einer psychiatrischen Begutachtung nicht rechtsstaatskonform sein kann. Sollte sich der vorsitzende Richter veranlasst sehen, Anzeige zu erstatten, so stellt sich der Kläger natürlich nicht in den Weg und erklärt seine Bereitschaft, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, indem er sich sodann vernehmen lässt.“
Das Urteil wird in den nächsten Wochen bekannt gegeben.