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20 Juni 2023

Kein Rechtsmittel mehr möglich: Corona-Stein darf stehen bleiben

Westsachsen/Chemnitz/Bautzen.-
Der »Gedenkstein« der Partei Freie Sachsen darf vorerst stehenbleiben. Das hat der 6. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Juni 2023 entschieden.
Im Rahmen einer von der Partei angezeigten Versammlung am 28. April 2023 war ein »Gedenkstein« enthüllt worden. Der ungefähr zwei Meter hohe Stein steht auf einem nicht umzäunten Grundstück der Partei und ist von einem vorbeiführenden Wanderweg zu sehen. Er hat die Form eines Grabsteins und trägt die Aufschrift »ZUR ERINNERUNG AN DIE OPFER DES CORONA – IMPFEXPERIMENTS UND DER ZWANGSMAßNAHMEN DES KRETSCHMER – REGIMES«.
Die Polizeidirektion Dresden verpflichtete die Partei daraufhin durch Bescheid, die Schrift des »Gedenksteins« abzudecken und den Stein bis 26. Mai 2023 zu entfernen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung wurde die Ersatzvornahme angedroht. Der Antrag der Partei Freie Sachsen auf vorläufigen Rechtsschutz blieb beim Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Gericht lehnte ihn mit Beschluss vom 23. Mai 2023 ab. Zur Begründung führt es aus, auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit der Partei bestehe ein Anfangsverdacht hinsichtlich des Straftatbestands der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB) und einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung (§ 188 StGB). Damit liege die für polizeiliches Einschreiten erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor.
Dem ist das Sächsische Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt und hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert. Die Aufschriften auf dem Grabstein seien vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt und erfüllten deshalb keine Straftatbestände. Damit fehle es an einer für das polizeiliche Einschreiten erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Meinungen seien nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts grundrechtlich geschützt, ohne dass es darauf ankomme, ob die Äußerung als wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, gefährlich oder harmlos, abzulehnen oder billigenswert eingeschätzt wird. Das gelte auch für fernliegende, irrige, anstößige oder abwegige Meinungen. Bürgerinnen und Bürger sowie Parteien seien grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Die Grenze der Meinungsfreiheit bildeten die Straftatbestände des Strafgesetzbuchs. Bei deren Auslegung sei aber die Meinungsfreiheit angemessen zu berücksichtigen.
Bei verständiger Betrachtung enthalte der Gedenkstein Kritik an den Coronaimpfungen. Ihr liege die Auffassung zugrunde, dass die Impfstoffe wenig erprobt wären. Zudem wird indirekt Kritik an den in der Zeit der Coronapandemie ergriffenen Maßnahmen zum Infektionsschutz geübt und durch die Verwendung des Begriffs »Regime« deren demokratische Legitimation in Zweifel gezogen. Diese politische Kritik stehe bei der Inschrift im Vordergrund. Nicht im Vordergrund stehe die persönliche Herabsetzung des Ministerpräsidenten und der Staatsminister. Die Äußerungen auf dem »Gedenkstein« seien zwar abwertend für die Staatsregierung und den ihr angehörenden Ministerpräsidenten, bezögen sich aber noch vorrangig als – wenn auch polemische – Äußerungen auf den politischen Meinungskampf. Im Rahmen einer Auseinandersetzung um die Sache in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage müssten sich auch demokratische Politiker den in der Bezeichnung »Regime« enthaltenen Vorwurf gefallen lassen. Die Tatsache, dass der Stein vom öffentlichen Raum wahrnehmbar sei und als anstößig und belastend wahrgenommen werden könne, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Rechtsordnung kenne keinen Schutz davor, nicht mit nicht gewünschten oder als unangenehm oder anstößig empfundenen anderen Ansichten konfrontiert zu werden. Einem möglichen fälschlichen Eindruck, dass es sich um einen »Gedenkstein« nicht einer Partei, sondern der Gemeinde handele, könne unschwer durch einen Hinweis im öffentlichen Raum entgegengewirkt werden.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, gegen den kein Rechtsmittel gegeben ist, kann in der Entscheidungsdatenbank des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts abgerufen werden.
Quelle und Fotos: Sächsisches Oberverwaltungsgericht