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04 November 2023

Rechtsbankrott: Wurde in Zwickau der Anwaltszwang abgeschafft?

Westsachsen/Zwickau.- In Zwickau wurde offensichtlich sang- und klanglos der Anwaltszwang aufgehoben. Hintergrund ist der Umstand, dass am Landgericht Zwickau eine Klage gegen den Freistaat Sachsen verhandelt wurde, die von einem Rechtsanwalt hätte formuliert und eingereicht werden müssen. Beides ist nicht erfolgt. Zwar hat sich der Chemnitzer Jurist und Vorsitzende der politischen Bewegung „Freie Sachsen“, Martin Kohlmann, zunächst als rechtliche Vertretung angezeigt, jedoch keinerlei Prozesshandlungen vorgenommen. Kohlmann antwortete noch nicht einmal auf dringende Fragen seiner Mandantin. Die Klage hat sie notgedrungen als Nichtjuristin selbst formuliert und eingereicht. Ebenso sämtliche Anträge und Antwortschreiben, die im laufenden Prozess mit Fristen gefordert waren. Schlussendlich hat die Richterin am Landgericht Zwickau, Eva-Maria Hoffmann, auf Grundlage dieser Einlassungen eine Entscheidung getroffen und einen Beschluss erlassen.
Dazu schreibt das Bundesjustizministerium am 26. Oktober auf eine Anfrage der Westsächsischen Zeitung: „Im Zivilprozess haben sich die Prozessparteien nach § 78 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor dem Landgericht, dem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshof von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen (Anwaltsprozess). Soweit eine Pflicht zur anwaltlichen Vertretung besteht, können Prozesshandlungen und -erklärungen gegenüber dem Gericht nur wirksam von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden“.
Damit verstößt das Zwickauer Landgericht erneut, diesmal im Schulterschluss mit einem Rechtsanwalt, wissentlich gegen geltendes Recht zum Nachteil einer Partei. Dazu gibt es bereits mehrere Äußerungen von Juristen: „In Zwickau herrscht Rechtsbankrott“.
Der renommierte Rechtswissenschaftler Professor Gerhard Köbler formuliert es laut Wikipedia so: „Rechtsbankrott ist das Unvermögen einer Rechtsordnung, den Rechtsunterworfenen Recht zu verschaffen. Eine Einrichtung, insbesondere eine Rechtseinrichtung offenbart beispielsweise Rechtsbankrott, wenn sie Lügner an die Spitze gelangen lässt, Schmierer zu Schriftführern macht, Betrüger zu Kassierern, Fälscher zu Protokollanten, Hochstapler zu Beisitzern und Erpresser zur Rechtsaufsicht. Eine Besserung verspricht unter solchen Umständen allein die vollständige Rückkehr zu allgemein anerkannten Werten, wie Wahrheit und Freiheit, und den Rechtsgrundsätzen pacta sunt servanda, Willkürverbot und Wettbewerb“.
In der zugrunde liegenden Klage ging es um die Überklebung eines gültigen Rechtskraftvermerkes auf einem Beschluss des Amtsgerichts Zwickau mit einem kleinen Stück Papier (WSZ berichtete). Der Plauener Rechtsanwalt Reinhard Schübel, auch „der falsche Doktor aus Plauen“ genannt, hatte seinerzeit die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels versäumt. Das Gericht half ihm mit der Überklebung, seinen Fehler zu verschleiern. Seitdem ist die Betroffene „Spielball der Justiz“, wie es der Leipziger Rechtsanwalt Carsten Dittrich treffend in einem Schreiben an das Landgericht Zwickau formulierte. An diesem korrupten Spiel zwischen Bestechung und Erpressung, zum Teil befeuert durch weiterhin aktive Stasi-Seilschaften, beteiligen sich bis heute fast alle involvierten Politiker und Juristen des Landes.