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22 Juli 2022

Zwickauer Sparkassenaffäre: Jetzt legt auch der FOCUS nach

München/Frankfurt/Zwickau.- Eine Studie des Frankfurter Finanzwissenschaftlers Professor Ralf Jasny (Foto unten) im heutigen FOCUS zum Thema „Was Sparkassen mit Ihren Kundengeldern machen“ regt vor allem die auf, über die geschrieben wurde: die Sparkassen. Jasny hatte anhand von Bilanzen dargelegt, dass einige Sparkassen viel Geld ihrer Kunden in Aktien investiert haben, was sich angesichts der trüben Stimmung an der Börse nun rächt. Der Sparkassenverband weist das zurück. Der Wissenschaftler legt nun in einem Gastbeitrag für FOCUS Online nach.
Mit öffentlich vorgetragener Kritik kann der eine oder andere aus dem Sparkassenlager offenbar nur schwer umgehen. Ich frage mich jedoch: Was ist verwerflich an den Nachfragen auf Basis der Veröffentlichungen im Bundesanzeiger? Stimmen etwa die eigenen Zahlen der Sparkassen nicht? Oder: Warum schütten einige Sparkassen ihre Gewinne einfach nicht an die Gemeinden aus – brauchen die das Geld nicht, oder sind da gar keine Gewinne mehr? Oder aktuell: Warum kann es riskant sein, mehrere Milliarden Euro an der Börse anzulegen? Der Sparkassenverband antwortet auf diese Frage ziemlich undifferenziert nach dem Motto: „Alles kein Problem, alles gut!“. Er verweist auf Durchschnittswerte. Doch: Wer einen Fuß ins Eiswasser und den anderen ins kochende Wasser steckt, fühlt sich im Durchschnitt vielleicht wohl, aber persönlich hat er ein Problem.
Mögliche Probleme der Sparkassen werden heruntergespielt
Die Historie zeigt wiederholt, dass diejenigen, die auf ein mögliches herannahendes Problem aufmerksam gemacht haben, in der stets gleichen Weise gekontert werden. Es heißt immer, entweder sei das Risiko gar nicht da. Oder, wenn es trotzdem da sein sollte, ist es gar nicht so groß. Oder wenn es da und groß sein sollte, ist es immer noch kein Problem, dann damit kann man ja umgehen. Zu Verteidigungsstrategie gehören auch die Versuche, mit persönlichen Attacken die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der kritischen Nachfrager zu diskreditieren.
Wer kritisch nachfragt, wird diskreditiert
Mich erinnert das an die Abläufe vor der Finanzkrise, als niemand es wagte, zum Stichwort „hypothekenbesicherter Wertpapiere“ kritische Fragen zu stellen. Mich erinnert das auch an Wirecard, wo viel zu lange Kritiker verhöhnt und verfolgt wurden. In beiden Beispielen kennen wir die Folgen. Was an so einem Phänomen wie „Risiko“ eben besonders blöd ist: Es verschwindet nicht dadurch, dass man die Augen verschließt. Das weiß beispielsweise auch der Ostdeutsche Sparkassenpräsident. Er räumt ein, dass durch die gestiegenen Zinsen Wertberichtigungen bei Schuldverschreibungen notwendig seien, fügt aber abschwächend hinzu, das wären ja „nur“ Buchverluste. Am Ende gilt jedoch: Verlust ist Verlust. Diese Verluste entstehen, weil steigende langfristige Zinsen zu Kursrückgängen bei Schuld­verschreibungen führen – je länger die Laufzeit und je höher der Zinsanstieg, desto höher fallen die Rückgänge aus – bei der noch bis 2117 laufenden Staatsanleihe aus Österreich waren es diesem Jahr mehr als 50 Prozent.
Die meisten Sparkassen betreiben ihr Geschäft streng nach dem Gesetz
Daher auf diesem Wege ein Aufruf zu mehr Sachlichkeit! Denn darum geht es in der Studie. Eines der zentralen Ergebnisse ist, dass die meisten Sparkassen in Deutschland ihr Geschäft so betreiben, wie es in den Sparkassen­gesetzen der Länder vorgesehen ist, nämlich: Kunden bringen ihre Spareinlagen dorthin, die Sparkasse vergibt Kredite an örtliche Unternehmen, finanziert die Immobilien und kümmert sich um die Menschen in der Region.
In diesem Sinne herausragend sind die Sparkassen Syke und Reichenau, letztere hat sogar – gegen den Trend – neue Filialen eröffnet und in 2021 den Gewinn gesteigert. Hierüber spricht niemand, auch der Sparkassenverband nicht. Schade eigentlich, dann das beweist, dass erfolgreiches, klassisches Sparkassengeschäft möglich ist, trotz „Niedrigzinsphase“ und hoher regulatorischer Anforderungen.
Anlage in Wertpapieren ist per se nicht zu kritisieren - es kommt auf die Umstände an
Warum also die Aufregung? Es gibt einige Sparkassen, die anstelle Kredite an die lokale Bevölkerung zu vergeben, das Geld ihrer Kunden lieber in Wertpapieren anlegen. Ist das ein Problem? Solange es keine erratischen Bewegungen an den Kapitalmärkten gibt, geht das gut. Aber wenn nicht? Die Börsenbewegungen der letzten 1,5 Jahre haben schon für die ein oder anderen Einschläge gesorgt. Glauben Sie nicht? Aus Respekt vor der Institution nenne ich hier nicht die Namen, aber an dieser Stelle nur ein paar Zahlen: Eine kleine Sparkasse in Zwickau/Sachsen hat zum Beispiel im Jahr 2020 mit Aktien und Aktienderivaten innerhalb eines Jahres über 47 Millionen Euro verspekuliert. Das entspricht rund 500 Euro pro Einwohner im Einzugsgebiet. Hierzu nimmt kein Sparkassenfunktionär Stellung. Der örtliche Landrat Christoph Scheurer - immerhin als Verwaltungsratsvorsitzender für die Geschäftspolitik der Sparkasse und deren Überwachung verantwortlich - sagte dazu in der „Freien“ Presse lediglich: „Bankgeschäft wird nie risikolos sein.“ Ein schwacher Trost? Oder vielmehr eine traurige Erkenntnis: Wenn Sparkassen mit solcher (Finanz-)Expertise überwacht werden, bleiben böse Überraschungen wie diese nicht aus.
Quelle: FOCUS Online