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01 Oktober 2020

Fall Hardy G.: Neue Erkenntnisse trotz massiver Gedächtnislücken

Westsachsen/Zwickau.-
Morgens kurz vor neun im Landgericht: „Sie haben die Wahl“, so ein Vollzugsbeamter vor der Kontrollschleuse. „Entweder Hände desinfizieren oder auf die Toilette zum Waschen gehen.“ Die Vorschriften ändern sich hier praktisch täglich. Noch in der letzten Woche musste man einen „Coronazettel“ ausfüllen und mit Unterschrift bestätigen, keinen Kontakt zu Infizierten gehabt zu haben und selbst auch keimfrei zu sein. Dann hieß es: „Maskenpflicht im ganzen Haus!“. Jetzt sind also die Hände dran. Zu diesem Zweck folgt uns ein Uniformierter bis aufs Klo. Er kontrolliert peinlich genau, ob sich unsereins auch ordentlich einseift. Denn nichts ist schlimmer in diesen Tagen, als ungewaschene Hände. So zumindest sieht es offensichtlich die Justiz. Kein Wunder, denn an einem Gericht, wo Urkundenfälschung und Amtsmissbrauch an der Tagesordnung sind (WSZ berichtete), muss man sich natürlich schützen - vor Corona.
Zu Beginn der eigentlichen Verhandlung, in der es im Kern darum ging, den Weg der verschwundenen Langwaffe im Fall Hardy Georgi zu rekonstruieren, kam der Kriminalbeamte als Zeuge zu Wort, der die Ermittlungen leitete. Eine reichliche halbe Stunde versuchten Staatsanwaltschaft, Richter und Verteidiger, aus dem Mann eine brauchbare Information heraus zu locken. Vergeblich. Gebetsmühlenartig kam jedes mal die Antwort: „Weiß ich nicht, kann mich nicht erinnern, war ich glaube nicht dabei...“. Als einzige Erinnerung blieb dem Mann im Gedächtnis, dass er mit seinen Kollegen mit Gewaltandrohung vom Hof der Familie Käferstein gejagt wurde. Silke Käferstein (Foto mit Hardy und Geburtstagskarte) ist das angebliche Opfer in diesem Fall (WSZ berichtete).
Ein Polizeioberkommissar aus Marienberg war da schon besser aufgestellt. Er sagte aus, dass es mit den Eltern des mutmaßlichen Täters engen Kontakt und eine konstruktive Zusammenarbeit gab. Auch wusste er relativ konkret über die Abläufe bei der Öffnung des Waffenschrankes zu berichten. So kam heraus, dass jemand das Zahlenschloss am Tresor mit der richtigen Kombination geöffnet haben muss. Anschließend wurde die Zahlenkombination geändert, so dass der rechtmäßige Besitzer keinen Zugriff mehr darauf hatten. Als dies bemerkt wurde, rief man sofort die Polizei. Aus dem Schrank fehlte nach gewaltsamer Öffnung eine Langwaffe des Typs AR 15 M5F (WSZ berichtete). Diese sei Eigentum von Hardy Georgi gewesen. Über den Verbleib der Waffe konnte auch er keine Angaben machen.
Die dritte Zeugin, eine Polizistin in Uniform, wurde zum Hergang in der Wohnung befragt, in die Hardy angeblich gewaltsam eingedrungen sein soll. Ihm wurde Hausfriedensbruch und Körperverletzung vorgeworfen, weshalb er jetzt rund zwei Jahre in Untersuchungshaft saß. Die junge Frau sagte aus, dass ihr der Hausbewohner Martin Käferstein mit einer Rohrzange entgegen kam. Diese hätte er angeblich gebraucht, um seine Heizung zu entlüften. Praktischerweise nutzte er das Werkzeug auch gleich dazu, Hardy Georgi damit eins über den Kopf zu ziehen. Dieser muss sich daraufhin laut Aussage der Polizistin schwer verletzt aus dem Haus geschleppt haben, da am Türrahmen Blutspuren zu finden waren. Der Vater des angeblichen Opfers, Martin Käferstein, behauptete sodann, Hardy hätte ihn mit Pfefferspray angegriffen. Diese Behauptung wollte die Zeugin nicht bestätigen. Aus ihrer Erfahrung mit Abwehrsprays jeglicher Art konnte sie das ausschließen. Es gab keinerlei Spuren. Weder im Raum, noch an der Kleidung oder im Gesicht des Hausbewohners.
Die nächste Verhandlung dazu findet am 9. Oktober statt. Dann sagt der Vater von Hardy Georgi aus, der als einziger die Kombination des Zahlenschlosses kannte. Möglicherweise bringt das Gericht durch ihn in Erfahrung, wer die verschwundene Waffe gestohlen haben könnte.