Seiten

20 Juli 2020

Buchlesung mit Reiner Rucks: Kontroverse Diskussion entfacht

Westsachsen/Zwickau.- „Wer vorwärts will, sollte rückwärts schauen“ oder „Unzensierte Gedanken im Zeitraffer“ heißt die Veröffentlichung, die Reiner Rucks am Samstag in den Räumlichkeiten der „Westsächsischen Zeitung“ vorstellte. Und es versprach spannend zu werden: „Wenn schon eine zwischenmenschliche Beziehung, egal welchen Geschlechts, eine gelebte ,friedliche Koexistenz zwischen zwei unterschiedlichen Nervensystemen' bedeutet - was für Spannungen erst ergaben sich aus Beziehungen der Menschen im sozialen Umfeld der DDR und der anschließenden ,Eingemeindung' in die BRD?“, fragte der Autor gleich zu Beginn in die Runde und sinnierte weiter: „Weitsicht bedeutet keinesfalls, dass man auf das Nahe liegende verzichten soll.“
In zwei/ein halb Stunden brachte es Rucks fertig, lang und breit, aber nie langweilig über sein außergewöhnliches Leben in der DDR, zunächst als FDJ-Sekretär und später als SED Parteigenosse, zu erzählen. Dabei erfuhren die Zuhörer, dass er mit vielen Dingen nicht einverstanden war und dies auch offen gesagt hat. Damit ist er nicht nur einmal bei seinen Parteigenossen angeeckt. Seine Erlebnisse erzählte der jetzige Ruheständler in humoristischer Weise mit einem Augenzwinkern aus heutiger Distanz. Damals war ihm oftmals nicht zum Lachen zumute.
So richtig interessant wurde es am Ende des Vortrags, als sich eine Frau meldete, die unter der DDR-Diktatur Repressalien erlitten hatte, beruflich und familiär geschädigt wurde. Sie fragte den Autor, warum er bis 1988 dabei geblieben ist, obwohl er doch wusste, was für ein Unrechtssystem er damit unterstützte. Sie äußerte sich auch entsetzt über den Schießbefehl an der Mauer. Ein anderer Zuhörer meinte dazu, jeder habe gewusst, dass man die Grenze nicht überschreiten durfte: „Diejenigen, die es trotzdem taten, wussten, was ihnen passieren kann“, meinte er.
Reiner Rucks beantwortete noch bis 21:30 Uhr die Fragen der Gäste und beschloss die Veranstaltung mit den Worten: „Bekanntlich ist das Alter ein Aussichtsturm. Je älter man wird, umso weiter sieht man - sofern die politische Brillenschärfe noch in Ordnung ist. Deshalb ein Angebot an alle Kurzsichtigen, Otto Normalverbraucher und Zufallsleser: Lesen Sie mit einem Lächeln meine verqueren Reime und machen Sie sich Ihren eigenen Reim zur Vergangenheit und Gegenwart, zu Dichtung und Wahrheit über das Leben damals und heute!“
Dies war die erste Buchlesung dieser Art in den Räumlichkeiten der Westsächsischen Zeitung. Am kommenden Samstag, 25. Juli, findet ebenfalls um 18 Uhr die nächste Lesung statt. Diesmal zum Thema „Lumpenhund-Buch“. Ronny Weber vom Verein Heimat Region Zwickau e.V. liest aus dem Buch von Claudia Friedrich „Adolf L. - Richter am Amtsgericht“. Es geht um Urkundenfälschung, Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt. Zwölf Jahre lang quälten Staats- und Rechtsanwälte sowie Richter eine Frau mit haarsträubenden Fehlentscheidungen im Schulterschluss. Die Folge waren Kontopfändungen, illegale Grundbucheintragungen und Besuche vom Gerichtsvollzieher, mit dem Ziel der vollständigen Ruinierung. In ihrer Verzweiflung bezeichnete die Betroffene einen Richter als „kriminellen, asozialen, strafvereitelnden, unverschämten Lumpenhund“. In erster Instanz wurde sie vom Vorwurf der Beleidigung frei gesprochen.
Der Eintritt ist frei. Wegen der aktuellen Corona-Panik ist die Anzahl der Plätze allerdings begrenzt.